Arabische Kunstsammlungen: Zeitgenössische Bilder aus 1001 Nacht

 

Viele Regenten der Emirate sammeln zeitgenössische Kunst. Sie bauen große Museen und veranstalten regelmäßige Messen. Jetzt zeigen zwei Ausstellungen in Köln Werke aus der Sammlung des Scheichs und der Scheicha des Emirats Schardschah.

Manchmal werden Märchen wahr – auch im Kunstbetrieb: Eine Prinzessin aus Schardschah, einem der sieben Vereinigten Arabischen Emirate, studiert in London Kunst, kehrt in ihr Vaterland zurück und führt die Kunst in ihrem Land ins 21. Jahrhundert. Sie modernisiert die Sharjah Biennale, die es dort seit 1993 gibt und an der vor allem die alteingesessene lokale Künstlerschaft teilnimmt. Sie fängt an zu kuratieren, schafft die alten Pfründe ab und bringt die Biennale auf ein internationales Niveau.

Inzwischen hat sie, die Scheicha Hoor Al Kassimi, so ihr vollständiger Name, ihre eigene Stiftung gegründet: Die Sharjah Foundation fördert und sammelt Kunst, vor allem Videokunst, aus der Menasa-Region (Middle East, North Africa, South Asia) und ist dabei offen für alle globalen Strömungen. Die Prinzessin ist heute im Vorstand des MoMA PS 1 in New York und im Kuratorium der Kunstwerke in Berlin; im nächsten Sommer wird sie den Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate auf der Biennale in Venedig kuratieren.Jetzt aber bringt die couragierte Scheicha ihre Kunst erst mal nach Köln. Der seit Langem mit ihr befreundeten Kölner Galeristin und Middle-East-Kennerin Brigitte Schenk ist es zu verdanken, dass die zweiteilige Schau „Sinus Arabicus“ mit alter Kunst und Arbeiten von 20 zeitgenössischen Künstlern aus der Sharjah Foundation gezeigt wird.

Mit lustigen Schnäuzern maskierte Kinder

Zur Kölner Auswahl gehören zum Beispiel die Videoarbeiten des Ägypters Wael Shawky, der spätestens bei der letzten Documenta mit seinen Marionettenfilmen Berühmtheit erlangte. In seinen Filmen navigiert er gekonnt zwischen Wahrheit und Mythen, so auch in dem jetzt gezeigten Film „Al Araba Al Madfuna“ von 2013: Hier lässt er Parabeln des ägyptischen Schriftstellers Mohamed Mustagab von Kindern, herausgeputzt als erwachsene Schauspieler, nachspielen. Mit lustigen Schnäuzern ausgestattet und mit tiefen Stimmen unterlegt, verleihen sie dem Stoff eine neue Interpretation.

Ebenso ägyptischer Herkunft, aber in Kalifornien aufgewachsen, ist die Künstlerin Maha Maamoun, die gerade erst im Kasseler Fridericianum ausstellte. In ihrem Film „Domestic Tourism II“ werden tourismustaugliche Bilder der Pyramiden von Gizeh im ägyptischen Film seit den Fünfzigerjahren aneinandergereiht. Dabei wird aus dem antiken Weltwunder eine reine Kulisse, vor der individuelle wie kollektive Identitätsfragen nach Art des ägyptischen Mainstreamkinos verhandelt werden.

Frauen träumen davon, mit dem eigenen Auto zur Arbeit zu fahren

Die saudi-arabische Künstlerin Sara Abu Abdallah gehört zu der Generation junger mutiger Frauen in ihrem Land. Auf das Fahrverbot für Frauen in ihrem Heimatland reagiert sie mit dem Video „Saudi Automobile“: Ihr bleibt nichts anderes übrig, als ein vorgefundenes Autowrack pink anzumalen und auf diesem Wege in ihren „weiblichen“ Besitz zu nehmen. Dabei träumt sie wie so viele saudi-arabische Frauen davon, eines Tages mit dem eigenen Auto einfach mal zur Arbeit zu fahren.

 
Doch nicht nur zeitgenössische Kunst gibt es zu sehen: In Köln präsentiert sich Schardschah im Doppelpack, denn auch Teile der orientalischen Sammlung kunstvoller historischer Landkarten, Kalligrafien und Volkskunst aus der Sammlung des Emirs Scheich Sultan III Bin Mohammed Al Kassimi, dem Vater der Scheicha, werden in einer zweiten Schau gezeigt. Der Emir, der Schardschah seit 1972 mit sechstägiger Unterbrechung regiert, promovierter Historiker und Verfasser mehrerer Bühnen- und literarischer Werke, wird die Ausstellung im Kölner Auktionshauses Van Ham selbst eröffnen und will damit für eine Verdichtung der Beziehungen zwischen Deutschland und Schardschah werben – dem wohl konservativsten Emirat am Golf.Denn hier tragen die Frauen noch traditionell den Hidschab, es gibt wenige Ausländer, und der kulturtouristische Ansatz der aktuellen Guggenheimisierung findet nicht in Schardschah, sondern in den Nachbar-Emiraten statt. Genau wie der ganze Kunstbetriebsglamour, den die Scheicha hasst.

Man müsse das ganze oberflächliche Zeug hinter sich lassen, erklärt sie in einem „Artnet“-Interview, und sie wolle „weder das Gesicht der Biennale sein, noch im Fokus der Öffentlichkeit stehen“. Ihre eigene Vision sei „eher sozial, lokal und betrifft Bildung und Vermittlung“. Aber darüber hinaus wisse sie natürlich, dass „in jeder Revolution Kunst eine wichtige Rolle spielt. Sie gibt den Künstlern die Möglichkeit, ihre Ansichten auszudrücken und ihr damit vielleicht auch ein Bild zu verleihen“. Lokal hört sich das nicht an.


 

 

Ausstellungsangaben:


Sinus Arabicus. Eine Ausstellung in zwei Teilen.
Teil 1: Historische Landkarten aus der Sammlung Seiner Hoheit Dr. Scheich Sultan Bin Mohammed Al Kassimi. Auktionshaus Van Ham, Köln., 5.-7.9., täglich 11-18 Uhr;
Teil 2: Zeitgenössische Kunst aus der Sammlung der Sharjah Art Foundation unter der Leitung von Scheicha Hoor Al Kassimi. Ehemalige Fabrik 4711, Vogelsanger Straße 66, 50823 Köln-Ehrenfeld, 5.-28.9., Di-So 11-18 Uhr. Allgemeine Information.